Wie wird die Customer Journey zur echten Erlebnisreise?

Jutta Blocher, blocher partners. Sie hat 30 Jahre Erfahrung im Retail bei der Erstellung von Storekonzepten.

» Frau Blocher, wie wird die Customer Journey zur echten Erlebnisreise? «

Ich weiß ja nicht, zu welcher Sorte Käufer Sie gehören. Online oder offline? Beides? Und planen Sie eigentlich Käufe – oder ziehen Sie einfach mal los und lassen Sie sich treiben? Manche arbeiten Einkaufslisten ja regelrecht ab, andere verfallen einem Kaufrausch, sobald Rabatte 50 Prozent Reduktion und mehr versprechen. Wahrscheinlich geht es Ihnen wie mir: Wir sind eine Mischung aller Typen. Es hängt eben von der Situation ab, ob wir dem Einkaufszettel folgen oder ihn zerknüllen und impulsive Entscheidungen treffen.

Beim Bauchgefühl setzt Gestaltung ein. Wer setzt welchen Impuls – und wo? Das ist eine Frage von Innenarchitektur und Design, die ebenso viel mit Psychologie zu tun hat wie mit Logistik und effizienter Planung von Räumen und Abläufen. Architektur ist nämlich gebaute Kommunikation. Um Menschen abzuholen, kommt es auf die richtige Ansprache an. Shopping ist schließlich keine reine Notwendigkeit mehr, sondern zugleich Entertainment und Freizeitgestaltung, Inspirationsquelle und Selbstbestätigung; also Lifestyle von interessierten und informierten Menschen, die auf allen Kanälen tätig sind. Wenn es schon um Gefühle geht, die uns beim Flanieren durch die Stadt begleiten, so vermitteln wir ein gutes Bauchgefühl.

Der Point of Sale wird emotional aufgeladen. Stores sind nicht irgendwie mit Waren gefüllt, auf denen Preisschilder kleben. Verkaufen ist eine Kunst, die nach Inszenierung verlangt und nach klug gesetzten Impulsen. Wir von blocher partners jedenfalls haben den Anspruch, dass die Customer Journey selbst etwas Federleichtes erhält. Dazu zählt, dass wir heute den Anspruch haben, sämtliche Touchpoints zu bespielen, an denen Marken und Menschen zusammentreffen – digital und analog. In der Regel starten wir mit Workshops, um gemeinsam die Ziele zu formulieren und zu erfahren, mit welchen Mitteln die beste Customer Experience für die Endverbraucher erreicht wird.

Besonders plakativ ist dabei sicherlich das Storedesign. Das darf nicht überinszeniert oder aufdringlich wirken. Manchmal reicht ein klug gesetzter Spot, um Oberflächen herauszuheben oder eine veränderte Raumfolge, um Warenflüsse und Menschenströme ganz selbstverständlich aufeinander einzutunen.

Kein Ladenlokal gleicht dem anderen, jede Stadt, jeder Raum besitzt eigene Qualitäten und Bezüge. Alles beginnt mit einfachen Fragen: Wie groß ist der Raum? Bis zu welcher Höhe wird er genutzt? Welche Einbauten gibt es? Wie viel Tageslicht fällt ein? Wo sind die Highlights des Shops? Wo befindet sich die Kasse und ggf. die Umkleide? Was liegt in der Nachbarschaft? Und was will ich wie und mit welchem Nachdruck vermitteln? Produkte stehen in einem größeren Zusammenhang von Marken und realen Räumen.

Wir beschäftigen uns mit dem organischen Ganzen und arbeiteten daran, abstrakte Werte in sinnliche Erfahrungen umzusetzen und beispielsweise Texturen und Oberflächen besonders herauszuheben. Vom ersten Kontakt über die Schaufensterbeleuchtung bis zur endgültigen Kaufentscheidung entfaltet sich dieser Touchpoint als choreografierte Kaskade. Das Schaufenster vermittelt den ersten Eindruck, es bietet Möglichkeiten zur Inszenierung weit über die eigentlichen Öffnungszeiten. Der Eingangsbereich wiederum vermittelt zwischen Innen und Außen. Er lädt ein, das Geschäft zu betreten. Im stationären Einzelhandel beginnt das erfolgreiche Einkaufserlebnis bei der Orientierung im Raum. Besucher sollen sich wohlfühlen. Erst danach rangiert etwa die Akzentbeleuchtung, die Neugier weckt. Jeder Blickfang ist Teil einer emotionalen (Licht)-Gestaltung, die Materialien, Oberflächen und Highlights ebenso umfasst wie Wege, Aktivitäts- und Rückzugsräume (wie Umkleidekabinen mit warmem Licht und angenehmer Atmosphäre) und Online- und Offlinebezüge. Wenn Internetriesen den Shop ums Eck entdecken und bespielen, müssen Stores ins Netz ausgreifen und das Erlebnis teilbar machen. Wo aber keine Geschichte und kein Erlebnis, da keine Reichweite. Am Ende spielen viele Faktoren zusammen, wenn man die analoge wie digitale Customer Journey spannend gestalten will. Nicht jede Reise wird mit einem Kauf enden, das muss sie auch gar nicht, wenn sie ein echtes Erlebnis darstellt. Denn darauf kommen Menschen zurück.

Erschienen im dLv-Trendreport 2020 - 2023. Hier bestellen.

Mehr erfahren über den Autor.