Bäckerläden werden Gastronomiebetriebe

Siegmund Dumm, Inhaber Brust + Partner

Der Bäcker ist Handwerker. In seiner Backstube stellt er Backwaren her, die er im an die Produktionsräume angrenzenden Bäckerladen verkauft. So war es jedenfalls früher, als es
in jedem Dorf noch eine Bäckerei gab. Heute sind Bäckerläden – auch auf dem Lande – zu Gastronomiebetrieben avanciert, in denen es auch frische Backwaren gibt. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an die Ladengestaltung. Welche Vielfalt sich mit dieser Planungsaufgabe eröffnet, zeigt dieses Kapitel. Welche Entwicklungen die Branche hinter sich hat und wie sich die Standorte den veränderten Kundenbedürfnissen anpassen, erläutert Siegmund Dumm. Er hat in seinem Leben unzählige Bäckereien geplant und gebaut.

Wie kaufen wir künftig Backwaren?

Das Social Distancing wird sich unserer Einschätzung nach dauerhaft, auch nach Corona, fest im Bewusstsein der Menschen verankern. Was jeder Bäcker als Antwort darauf braucht, ist eine Multi-Channel-Vertriebslösung. Darin liegt das Potenzial der Zukunft. Mit dem Online-Vertrieb wird zu- künftig Reichweite erzeugt. Der alte Bäckerladen, wie wir ihn noch kennen, wird bei eingeschränkten Öffnungszeiten nur noch wenige Kernprodukte führen. Daneben gibt es einen systemgastronomischen Vertriebstyp mit einem herausragenden Anteil an To-go-Produkten. Der Ladenbau wird hier nur mit wirklich einzigartigen Ideen punkten können. Alles, was von der Stange kommt, hat keine Zukunft mehr.

Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit in der Ausstattung?

Bisher wurde immer von Nachhaltigkeit gesprochen, das Handeln orientierte sich dann am Preis. Sämtliche Hersteller von Oberflächen versuchen, eine natürliche Optik und Haptik zu reproduzieren. Am Ende ist das Produkt um ein Vielfaches billiger als der echte, nachhaltige Werkstoff – und der Kunde greift zu. Es muss nur echt aussehen. Mit den Erfahrungen der Covid-19-Epidemie wird sich das ändern, ja ändern müssen. Das wird nur dann gelingen, wenn wir alle das uns jetzt gegebene Zeitfenster dazu nutzen, die Spielregeln zu verändern. Unsere Auffassung bei Brust+Partner ist schon seit vielen Jahren: Was aussieht wie Holz – das ist Holz. Was aussieht wie Stein - das ist Stein. Was aussieht wie Stahl - das ist Stahl. Eigentlich ganz einfach.

Hygienevorschriften sind streng. Wie geht man damit um, wenn man neue Materialien einbringen will?

Wir bei Brust+Partner haben darauf eine sehr pragmatische Sichtweise. Stein, Glas, Holz und Edelstahl bringen von Natur aus all das mit, was die Hygienevorschriften fordern. An der richtigen Stelle eingesetzt, sollten uns diese einfachen Materialien in all ihrer Vielfalt doch genügen. Wenn in der Konstruktion jetzt noch das einfache Reinigen als Grundsatz Einzug hält, dann kann man da nichts mehr falsch machen. Nach Corona allerdings sehe ich auf alle Planer grundlegende Veränderungen in konzeptioneller Hinsicht zukommen. Das Thema Hygiene wird zum wichtigsten Kriterium. Platzierung und Warenpräsentation werden nur noch Priorität B besitzen.

Alle Fragen, die wir uns heute bei der Entwicklung eines Ladenkonzepts stellen, werden wir unter ganz anderen Gesichtspunkten beantworten als bisher. Wir werden darüber diskutieren, ob wir separate Ein- und Ausgänge zum Laden schaffen, wie wir die Anzahl der im Laden befindlichen Kunden überwachen und steuern, wie wir die Kunden im Laden selbst leiten, ob es überhaupt noch Gasträume, so wie wir sie heute kennen, geben wird oder ob diese nur noch abgetrennt vom Verkaufsbereich sein werden? Ich gehe davon aus, dass es sich die Menschen nicht mit Schutzmasken und Desinfektionsspender direkt neben dem Tisch gemütlich machen wollen. Also müssen bauliche und technische Maßnahmen her, die eine sichere Gastlichkeit garantieren.

Meine These: Der Virus wird gehen, die Angst der Menschen wird bleiben. Der Beitrag, den wir Planer dazu leisten können, dass sich die Menschen trotz Angst doch irgendwie sicher fühlen, wenn sie das Haus verlassen, ist enorm. Es wird sich nun zeigen, wie schnell und konsequent wir hier bereit sind neu zu denken. Die Chancen, die für unseren Stand hier wachsen, sind ebenso groß wie der Verlust, den bereits heute schon viele Kollegen erleiden. Ich bin gespannt auf das, was kommt!

Erschienen im STORE BOOK 2021. Hier bestellen.

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