Der  Bodenbelag –Teil eines komplexenFußbodensystems

Richard A. Kille, ö.b.u.v. Sachverständiger und Institutsleiter des IFR Köln.

Bodenbeläge, ob mineralisch, aus Holz oder aus Kunststoff, sind der sichtbare Teil eines komplexen Fußbodensystems. Der Belag muss in Design, Farbe, Struktur und Akustik perfekt auf den Raum abgestimmt sein.

Oben hui – unten pfui! Wer kennt diese Redewendung nicht? Besonders beim Remodelling eines Ladenlokals, letztlich beim Bauen im Bestand, ist bem Planen neuer Bodenbeläge die Verlockung groß, nach dem Motto zu verfahren: „Da legen wir einfach mal was drüber!“

Dass es schon mal vorkommt, dass gegen die anerkannten Regeln des Fachs verstoßen wird und zum Beispiel die ATV DIN 18 365 „Bodenbelagarbeiten“ oder die ATV DIN 18 356 „Parkettarbeiten“ nicht vollumfänglich berücksichtigt wird, ist bekannt und wird besonders dann zum Thema, wenn die neu verlegten Kunststoff-Designbodenbelag-Planken im Erscheinungsbild nicht der Erwartung entsprechen oder im Verlauf der Nutzung Veränderungen (Mängel) in der Oberfläche sichtbar werden, die natürlich nicht gewünscht sind.

Bodenbeläge sind so gut wie der Untergrund, der sie trägt

Entsprechend der  Beliebtheit  von  Kunststoff-Designbodenbelägen,  überwiegend  in  Plankenform, steht  das  optische Erscheinungsbild in der Fläche im Vordergrund. Dieses wird wesentlich vom Untergrund, auf dem die Bodenbeläge verlegt worden sind, beeinflusst. Besonders in Bestandsgebäuden ist deshalb die Prüfung des Untergrundes entscheidend für fachgerechtes und weitsichtiges Planen.

Fachgerecht und weitsichtig planen

Neben  den  zuvor  bereits  erwähnten anerkannten Regeln des Fachs besteht objektbezogen, ins- besondere innerhalb von Bestandsgebäuden, mit Sicht auf die Art und Weise und den Umfang der Fußbodenrenovierung oder -sanierung die Möglichkeit, den anwendungstechnischen Dienst der Verlegewerkstoff- und Bodenbelaghersteller zu Rate zu ziehen, um eine objektbezogene, schriftliche Anwendungs- und Aufbauempfehlung zu erhalten. Dieser wird hierbei die anerkannten Regeln des Fachs nicht außer Acht lassen und hat zusätzlich die Möglichkeit, objektbezogen mit eigenen Systemempfehlungen Problemlösungen mit bestimmten Verlegewerkstoff-, Unterlag- und Bodenbelagsystemen vorzustellen.

Kritische Auftragsprüfung

In der Praxis bedeutet dies grundsätzlich eine kritische Prüfung des Auftrages, der erfüllt werden soll. Hinter dem einfachen Wunsch, einen neuen Bodenbelag zu bekommen, kann sich eine umfangreiche und komplizierte Fußbodensanierung verbergen.

In den vergangenen Jahrzehnten wurden innerhalb von Bestandsgebäuden und so auch innerhalb von Ladenlokalen, die mehrere Pächterwechsel erfahren haben, Verlegewerkstoffe und manchmal auch Bodenbeläge aufeinander geschichtet.

So kommt es vor, dass Untergründe in der Summe drei bis vier Spachtelmassen und Klebstoffschichten aufeinanderfolgender Generationen aufweisen.

Dass Baustoffe und somit auch Vorstriche, Spachtelmassen und Klebstoffe eine begrenzte technische Lebensdauer aufweisen, ist bekannt. Werden diese alten Verlegewerkstoffschichten nicht entfernt und einfach ein neuer Vorstrich und eine Spachtelmasse aufgebracht, entsteht eine „Schicksals- gemeinschaft“, d.h. der neu aufgebrachte Vorstrich und die neu aufgebrachte Spachtelmasse können, wie auch der verlegte Bodenbelag, nicht länger halten als die schon gealterten Verlegewerkstoffe vorangegangener Generationen. Dieser Verlauf war zu beobachten in einem Sportgeschäft, in dem im Zuge des Remodellings ein mineralischer Spachtelboden aufgebracht wurde. Dieser zeigte nach kurzer Zeit ein „Netzwerk“ von Rissbildungen.

Sanieren statt zudecken?

Auch wenn der Besteller eines neuen Bodenbelages sich erfahrungsgemäß nur für die Optik interessiert, ist es Aufgabe des ausführenden Handwerks, den Auftraggeber vor Schaden zu bewahren. Hierzu gehört eine kompetente Beratung und, insbesondere vor und mit der Angebotsabgabe und der Planung eines neuen Fußbodenbelages, die im wahrsten Sinne des Wortes tiefgründige Prüfung der vorhandenen Fußbodenkonstruktion.

Nach unserer Erfahrung ist der Aufwand nicht besonders hoch, wenn man bereits im Beratungsgespräch vor Ort in einigen Eckbereichen den vorhandenen Bodenbelag vom Untergrund hochzieht und einmal unter den Bodenbelag schaut. Wir praktizieren zudem von Hand geführte, maschinelle Kernbohrungen im Durchmesser von 50 Millimetern, um den Konstruktionsaufbau des Fußbodens zu sichten, sodass dann auch die Möglichkeit besteht, entsprechende Vorschläge für die Sa- nierung und Neuverlegung des gewünschten Bodenbelages zu unterbreiten.

Warum wird die Untergrundvorbereitung immer wichtiger?

Bodenbeläge der aktuellen Generation, ob Linoleum-, Kunststoff-, Design- oder auch Kautschukbeläge, zeigen perfekte, häufig glänzende Oberflächen, die den geringsten Fehler im Untergrund spiegelnd hervorheben. Wir bezeichnen diesen Effekt gerne als „d-c-fix-Effekt“, da jeder, der schon mal eine dünne Klebefolie appliziert hat, weiß, dass ein Staubkorn in der Oberfläche der Folie sichtbar wird, wenn dieses sich zwischen Folie und Untergrund eingenistet hat.

Rakeln statt Spachteln

Umgangssprachlich werden mineralische Ausgleichsmassen zur Herstellung verlegereifer Untergründe gespachtelt. Hiermit ist das Verteilen der fließfähigen, mineralischen Ausgleichs-/Nivelliermasse mit einer handgeführten Glättkelle gemeint, die, entsprechend dem „Kellenschlag“, sichel- bzw. halbkreisförmig über die Oberfläche des Untergrunds geführt wird.

Dem Stand der Technik und den anerkannten Regeln des Fachs entsprechend ist das Verteilen einer mineralischen Ausgleichs-/Nivelliermasse mit einem Rakel und gegebenenfalls das Nacharbeiten der Oberfläche mit einer Stachelwalze eine optimale Anwendungs- und Verarbeitungstechnik zur Herstel- lung strukturloser Oberflächen, auf denen dann jede Art von Bodenbelag verlegt werden kann.

Bodenbeläge der nächsten Generation

Die Entwicklung von Fußboden- bzw. Bodenbelagsystemen ist rasant. Die vor rund fünf Jahren getätigte Aussage, dass in 20 Jahren ein großer Teil der Bodenbeläge nicht mehr dauerhaft, kraftschlüssig verbunden mit dem Untergrund geklebt wird, ist nicht nur auf Gegenliebe gestoßen.

Nun schreitet tatsächlich die Zeit voran, sodass nicht nur alternative Verlegemethoden im Hinblick auf den schnellen Belagswechsel zu berücksichtigen sind, sondern auch Ökologie und Umwelt. In unserer Branche stehen Ressourcenschonung und insbesondere die Rohstofftrennung im Vordergrund.

Zwischenzeitlich sind wir über die Zeit der auf PE-Schaumfolie schwimmend verlegten Laminatböden hinausgewachsen, d.h., Bodenbeläge werden bereits heute in Form der Bodenbelagsgruppe „Multilayer Modular Floor Coverings“ mit unterschiedlichen Aufbauten, insbesondere mit unterschiedlichen Trägerplatten, schwimmend im Klicksystem verlegt.

Zurzeit sind die „Rigid-Produkte“ mit Trägerplatten aus EPC (Expanded Polymer Core) oder SPC (Solid Polymer Core) als „High-End-Produkte“ im Vormarsch. Begleitet werden die zur Klebung konzipierten Kunststoff-Designbodenbelag-Planken sowie die modularen Fußbodensysteme von einer ebenso fortschreitenden Entwicklung der Unterlagmaterialien, die unter anderem als Alternative zur dauerhaften, vollflächigen Klebung eingesetzt werden können.

So werden alte, klassische, über Jahrzehnte bestens bewährte Verarbeitungs- und Verlegemethoden von elastischen und textilen Bodenbelägen sowie Parkett nicht mehr im Fokus der Zukunftsplanung stehen. Beim Rückbau, bei der Renovierung bzw. Sanierung von Ladenlokalen werden Altmaterialien heutzutage sortenrein getrennt – auch die alten Fußbodenflächen.

Ob künftig sowohl in Neubauten als auch in Bestandsgebäuden Untergründe so hergestellt und aufbereitet werden, dass die Oberflächen über mehrere Generationen verschiedener verlegter Bodenbelagarten bestehen bleiben, wird abzuwarten sein – ausgeschlossen ist das nicht.

Erschienen im dLv-Trendreport 2020 - 2023. Hier bestellen.

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