Die Suche nach dem richtigen Material

Marco Zatti, Geschäftsführender Gesellschafter der Materialagentur Plan +B GmbH, Berlin

Seit zwanzig Jahren führen Sie Ihre Materialagentur in Berlin. Was sehen Sie als Ihre Aufgabe?

Wir beraten und bieten Service, anders als zum Beispiel Materialdatenbanken, die Materialien sammeln und mit ihrer Bibliothek einen guten Überblick über die am Markt verfügbare Ware bieten. Wir sammeln nicht, sondern selektieren:  Wir bieten eine bestimmte Auswahl an Materialien an, über die wir umfassend Bescheid wissen.  Wir arbeiten mit dem Hersteller und Architekt:innen zusammen, wissen im Detail, wie die Produkte funktionieren, ob sie für den vorgesehenen Zweck einsetzbar sind, was sie kosten und wo sie bezogen werden können und begleiten die Projekte.

Es gibt viele Informationen zu Materialien, die Hersteller liefern für jedes Produkt ausführliche Beschreibungen. Warum ist es offensichtlich schwer, das Richtige zu finden?

Die Fülle an Materialien ist immens, sei es im Bereich Fliesen und Holzwerkstoffe oder bei ganz neuen Entwicklungen. Zu mir kommen Planer und Architekten vor allem aus dem Ladenbau und der Hotelbranche. Sie suchen nach ausgefallenen, innovativen oder nachhaltigen Materialien, je nachdem, welches Projekt sie gerade betreuen. Wir haben das Know-how und sehen uns als Problemlöser für die Aufgaben, die uns gestellt werden. Stores, Hotels, sogar öffentliche Bauten, werden immer individueller. Eine schöne Fliese oder ein aufregendes Oberflächenmaterial kann den Unterschied machen. Aber ist es auch geeignet? Habe ich daran gedacht, dass die mit dem coolen Metalldesign ausgekleidete Theke unschöne Fingerabdrücke geradezu anzieht? Ist die Fliese rutschfest? Wie sieht es mit dem Brandschutz aus? Oft sehen wir, dass von den Produkten Eigenschaften verlangt werden, die sie für den angedachten Zweck nicht haben. Wenn ein Material zum Einsatz kommt, muss ich auch an Fachleute denken, die es fachgerecht bearbeiten kann. Das ist zwar jedem klar, in der Praxis aber nicht selten eine große Hürde, über die wir helfen können. 

Wo finden Sie die neuen Produkte, die Sie in Ihr Portfolio aufnehmen?

Ich bin viel auf Messen unterwegs. Als Materialfachmann ist man aber sowieso immer am Beobachten und Entdecken. Und als Architekt habe ich gute Kontakte zu Architekturbüros, die mich auf neue Materialien aufmerksam machen. Ich habe ein großes Netzwerk, das mich mit neuen Trends füttert. Dabei vertrete ich stets Produkte, die mir selbst gefallen, die ich empfehlen kann und jederzeit in meinen eigenen vier Wänden einsetzen würde. 

Trends ist das Stichwort. Was ist gerade en vogue und was geht gar nicht mehr?

Moden kommen und gehen, es gibt nicht den absoluten Trend. Bei Fliesen zum Beispiel waren in den siebziger Jahren kleine Kacheln angesagt. Die achtziger Jahre waren geprägt von der 30 x 30 cm großen Fliese. Das sehen Sie heute gar nicht mehr. In den neunziger Jahren wurde Mosaik verlegt, bis auch dieses wieder verschwand. Heute ist die große Fliese in 1,5 x 3 Metern gefragt. Mosaik erlebt momentan eine Renaissance, allerdings mit etwas anderen Formen und Materialien, nicht rein quadratisch und nicht nur aus Glas. 

Bei Farben ist Grün das neue Weiß. Schauen Sie auf die Autoindustrie. Dank Apple wurde die Farbe Weiß bei Autos salonfähig. Zur Zeit fallen mir Autos in Grüntönen auf den Straßen auf, die es 20 Jahre lang nicht gegeben hat. Grün ist auch die Farbe der Nachhaltigkeit. Insgesamt ist die Farbigkeit zurück. Und ganz klar beobachten wir einen Trend zum Haptischen und zu Materialien mit Struktur. Wenn ich es auf den Punkt bringen soll, dann hat trendiges Material diese Eigenschaften: taktil, farbig, strukturiert, ehrlich.

Wie sieht es mit nachhaltigen Materialien aus?

Das wird sehr stark nachgefragt. Wir sehen, dass viele Bauherren ein gutes Nachhaltigkeitsmanagement haben und verstärkt nachhaltige Materialien einsetzen wollen. Wir entscheiden bei den Produkten, die wir empfehlen, anhand der diversen Zertifizierungen, schauen wie produziert und dokumentiert wird. Wir sehen aber auch viel Greenwashing. Es ist unsere Aufgabe, hier den Überblick zu behalten. Es gibt neue Produkte, die wirklich Spaß machen, z. B. eine Platte, die aussieht wie Holz, aber aus Reishülsen besteht oder hochwertiges Feinsteinzeug, das vielseitig eingesetzt werden kann, für Boden, Wand, Möbel und Fassaden. Es ist leicht zu pflegen und hält ewig.

Die Kosten für Nachhaltiges sind hoch. Richtig oder falsch?

Nachhaltige Materialien sind (noch) teuer, das stimmt. Grundsätzlich halte ich es aber auch für einen nachhaltigen Gedanken, zunächst einmal das Material einzusetzen, welches am Markt ist. Mich stört, dass offensichtlich jedes Jahr Neues erwartet wird. Die Hersteller sollten ähnlich wie in der Mode darüber nachdenken, wie oft sie neue Kollektionen vorstellen. Ich möchte die Hersteller sicher nicht mit der Fast-Fashion-Industrie vergleichen. Es wäre aber nachhaltiger, Bewährtes in neuen, ideenreichen Anwendungen zu zeigen oder nachhaltiger zu produzieren. Bei den Kosten für Nachhaltigkeit muss der gesamte Produktionsprozess inklusive der Entsorgung berücksichtigt werden. Beton ist beispielsweise in der Herstellung günstig, aber im Abbau sehr kostspielig und aufwändig.

Was ist Ihr Lieblingsmaterial?

Holz. Holz ist der Werkstoff schlechthin, weil es gelebt hat und sich auch im Einsatz noch verändert. Es ist warm, farbig und zeitlos und ein nachwachsender Rohstoff. Das Gegenteil davon ist Beton, ein Material, was ich nicht besonders mag. 

Erschienen im STORE BOOK 2023. Hier bestellen.

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