Stationäre Läden und wie sie heute
(noch) erfolgreich sein können

Jutta Blocher, Co-Founder und Head of Interior Design

Der Mix macht es aus: Stationärer Retail ist heute nicht mehr solitär zu sehen. Und auch nicht auf das Thema Online oder Offline zu reduzieren. Die große Aufgabe, die auf alle Akteure zukommt, ist, die Themen miteinander zu verflechten, um mehr Erlebnis zu bieten.

Schon jetzt gibt es Ansätze in einigen Städten, wo intelligente Konzepte Leere und Eintönigkeit auffangen. Eine unserer Stärken ist seit jeher die Revitalisierung – vor allem im Handel. Insofern erhalten wir hier oft auch weitergehende Anfragen. Wir beobachten derzeit beispielsweise eines unserer Projekte in Stuttgart sehr genau, weil es hier gelungen ist, eine Mischung aus Hotel, Gastronomie und Handel zu schaffen, die eine einst „tote“ Ecke in der Stadt wiederbelebt hat. Das Designhotel EmiLu, ein revitalisiertes Verwaltungsgebäude, besticht durch eine sehr individuelle Innenarchitektur und eine charmante Fassadengestaltung.

Das Gebäude und sein Angebot, ein Mix mit Restaurant, Club-Bar und Handel, verleiht der gesamten Umgebung unweit des Stuttgarter Marktplatzes Glanz. Solche gemischten Konzepte werden wir bald noch viel häufiger sehen, denn sie tragen wesentlich zur Belebung der Innenstadt bei. Dabei geht es nicht nur darum, offen für andere Angebote zu sein, sondern auch Services zu definieren, die zur eigenen DNA passen. Abseits der Bedarfskäufe sind die Menschen anspruchsvoll geworden und suchen nicht nur das Erlebnis, sondern möchten am Puls der Zeit sein. Dazu müssen auch die Städte beitragen. Der Handel kann nicht ohne Stadt – die Stadt kann nicht ohne Handel.

Worauf kommt es also heute im stationären Retail an? Ein wichtiger Punkt für uns als Planer ist die Attraktivität der Erdgeschosse, die den Kund:innen einen leichten Einstieg gewährt. Darüber hinaus ist Flexibilität gefragt, um die Flächen kuratieren und leicht umgestalten zu können. Da hilft es, mit einer gewissen Lässigkeit an die Sache ranzugehen und Spielwiesen für das Publikum, sprich mehr Pop-up-Flächen zu schaffen. Die klassischen Sortimente sollten sinnvoll ergänzt werden. Das kann alles sein – von speziellen Service-Angeboten oder Lifestyle-Produkten bis zu regionalen Lebensmitteln.

Service oder Pop-up-Flächen sind das eine, Aufrüsten zum Beispiel mit gastronomischen Angeboten das andere. Die Frequenz wird erhöht, die Verweildauer verlängert, und idealerweise werden weitere Zielgruppen angesprochen. Genuss ist per se ein hervorragendes Mittel, um ein sinnliches Erlebnis zu generieren, dessen Eindruck sich als Mehrwert für das gesamte Unternehmen auszahlt. Klar ist aber: Das Gastronomiekonzept muss wie alle anderen Aspekte auch auf die Authentizität, die DNA einzahlen.

Um im Bild zu bleiben: Wie findet man hier angesichts der unglaublich vielen Möglichkeiten das passende Rezept? Wir merken immer stärker, dass Briefings zu komplexen Aufgabenstellungen geworden sind, die eine intensive Auseinandersetzung benötigen. Um unsere Bauherren optimal zu unterstützen, haben wir unser Angebot dieses Jahr mit blocher partners sens um den Bereich Design Strategy erweitert. Im Prinzip versuchen wir in einem kokreativen Prozess mit allen Nutzern zusammen aus der Vielfalt der Möglichkeiten konkrete Ziele zu formulieren und ein maßgeschneidertes Programm herauszukristallisieren. Wir legen quasi die DNA frei, das aber mit spielerischen Methoden. Weil dieses Ergebnis gemeinsam erarbeitet wird, erfährt es große Akzeptanz in der Gruppe. Blocher partners sens ergänzt damit unseren transdisziplinären Ansatz aus Architektur, Innenarchitektur und Kommunikation.

Neben einem authentischen Konzept kommt es nicht erst seit der Pandemie, aber seitdem sicherlich verstärkt, auf nachhaltige Planung und Umsetzung an. Menschen wollen verantwortungsvoller konsumieren, und das in einer Umgebung, die auf diese Werte einzahlt. Konsum gilt zwar gemeinhin als wenig nachhaltig, gerade deshalb ergibt sich für den Retailbereich ein großes Potenzial, das Umdenken in Bezug auf Nachhaltigkeit zu implementieren und im Storedesign für den Kunden wirkungsvoll zum Ausdruck zu bringen.

Die österreichische Gesellschaft für nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) hat den jüngst eröffneten und von blocher partners geplanten Flagshipstore von Bründl in Kaprun mit Platin und Kristall ausgezeichnet. Bründl ist damit der erste Sporthändler in Österreich, der dieses wertvolle Nachhaltigkeits-Zertifikat erhalten hat. Aber was macht Bründl so nachhaltig? Nachhaltigkeit muss im Raum spürbar sein, das heißt es dürfen nur ehrliche Materialien verwendet werden, mit regionalem Anspruch und nachwachsenden Rohstoffen. Der Laden muss rückbaubar und einzelne Komponenten müssen trennbar, also recyclebar sein, damit sie wieder in den Kreislauf eingebracht werden können. Gleichzeitig wird das soziale und innerbetriebliche Engagement wie Familien- und Mitarbeiterfreundlichkeit bewertet. Dieser ganzheitliche Ansatz macht diese Auszeichnung so besonders für Bründl und zeigt, dass nur durch ernstgemeinte Ansätze mit nachhaltigen, zukunftsfähigen Lösungen Stores gelingen, die mehr leisten als die Verbindung von Einkauf und Erlebnis.

Erschienen im STORE BOOK 2023. Hier bestellen.

Mehr erfahren über die Autorin.